Filmkritk zu "Uncharted" - Enttäuschung mit Ansage

 Kann es gutgehen, eine populäre Computerspielserie zu verfilmen? Bis zur ersten positiven Beantwortung dieser Frage wollen wir uns dem von Ruben Fleischer inszenierten „Uncharted“-Film widmen. 

Bereits kurz nachdem „Uncharted: Drakes Schicksal“ als erster Teil der Computerspielreihe auf Sonys PlayStation erschienen war, gab es Gerüchte um eine Verfilmung. Wenig verwunderlich, bieten doch Szenario und Spielfiguren der mittlerweile auf 4 Teile angewachsenen „Uncharted“-Serie eine Steilvorlage, die man lediglich dankbar aufgreifen müsste. In gebotener Schniedelkürze für alle, deren schnöde Existenz noch nicht den Olymp der Pixelunterhaltung erleben durfte: Ein fescher Abenteurer mit Muckis, Verstand und frechem Mundwerk begibt sich mit seinem väterlichen Mentor auf Schatzsuche. Damit ist freilich kein laut seriöser Genderforschung hoffnungslos veraltetes heteronormatives Liebesunterdrückungsgeflecht gemeint, sondern die Suche nach mythologischen Orten und ihren mitunter übernatürlichen Geheimnissen. 

Gewiss: Indiana Jones stand ganz offensichtlich Pate für das „Uncharted“-Konzept, doch niemand trat bislang respektvoller in die Fußstapfen der Filmlegende als Protagonist Nathan Drake und sein – trigger warning: Weißer alter Mann! – Zigarren paffender und Frauen schätzender Mentor Sully. 2022 erblickte „Uncharted“ endlich das Licht der Leinwand, mit durchwachsenem Erfolg: Immerhin 400 Millionen Dollar flossen in die Schatzkisten – und damit wohl deutlich weniger, als sich Sony angesichts der enormen Popularität der Computerspielreihe erhofft hätte. Eine Enttäuschung mit Ansage. Doch der Reihe nach.

Drakenische Maßnahmen

Die beiden Waisenkinder Nathan Drake und sein älterer Bruder Sam beschließen eines Tages, aus dem Waisenhaus auszubüchsen, um sich die uralte Expeditionskarte des ersten klimaneutralen Weltumseglers Ferdinand Magellan anzueignen. Doch der Einbruch in die Galerie, wo sich diese Karte befindet, wird erstens von der Polizei vereitelt und führt zweitens zur unfreiwilligen Trennung der Brüder.


Viele Jahre später arbeitet der inzwischen adulte Nathan, nunmehr von „Spiderman“-Darsteller Tom Holland verkörpert, hinter der Bar und peppt die kargen Trinkgelder mittels unilateraler Vermögensumschichtung auf. Dies wird von einem zunächst geheimnisvoll wirkenden Gast namens Victor „Sully“ Sullivan (Mark Wahlberg) beobachtet, der ihn jedoch nicht verpfeift, sondern im Gegenteil von dessen Fingerfertigkeiten beeindruckt ist und ihn zu einer Suche nach dem Goldschatz von Magellan überreden möchte. Zunächst hält Nathan besagten Sully für verrückt, ändert seine Meinung aber schlagartig, als ihm Sully eröffnet, mit seinem verschollenen Bruder Sam zusammengearbeitet zu haben, der gleich Sully einen legendären Schatz gesucht haben soll.

Nunmehr im rein freundschaftlichen Sinne verpartnert, begeben sich die beiden auf die heißeste Spur ihrer Schnitzeljagd, die, so hofft Nathan, letztendlich zu Sam führen könnte. Auf einer Auktion wird ein goldenes Kreuz versteigert, welches einen entscheidenden Hinweis auf das Versteck zum Schatz liefern soll. Doch die beiden sind beileibe nicht die einzigen Interessenten am Kreuz: Der skrupellose Santiago Moncada (Antonio Banderas) erhebt Anspruch auf das Kreuz, wie auch am Goldschatz, da seine Familie angeblich Magellans Expedition dereinst finanzierte. Um seinem Anspruch Nachdruck zu verleihen, hetzt er eine von der Auftragskillerin Braddock (Tati Gabrielle) angeführte Söldnertruppe auf Nathan und Sully. Als wäre dem nicht Stress genug, müssen sie auch noch mit der ausgefuchsten wie undurchschaubaren Chloe Frazer (Sophia Ali) zusammenarbeiten, die ihre ganz eigenen Pläne zu verfolgen scheint. 



Völlig von der Rolle: Tom Holland und Mark Wahlberg

Fast drei Jahre lang dauerte Magellans Weltumseglung. Oder um es anders auszudrücken: Er hätte gut fünfmal die Erdkugel (für Flachweltler: Die Erdscheibe) umrunden können, ehe endlich der „Uncharted“-Film in den Kinos anlief. Für die letzte mehr als einjährige Verzögerung auf Grund eines garantiert nicht aus einem chinesischen Labor stammenden Virus, der nur Dank der brillanten deutschen Regierungsmaßnahmen nicht die schon länger hier Lebenden dahinraffte, konnte Regisseur Ruben Fleischer natürlich nichts. Für das Drehbuch und die Inszenierung wohl schon eher. Der/die/das Autor:_*In dieser Rezension hat sämtliche Teile der „Uncharted“-Reihe oft genug durchgezockt, um die Dialoge freihändig auf einer Makkaroni stehend und mit verschlossenen Augen nachsprechen zu können.


Augenscheinlich ist zunächst die völlige Fehlbesetzung der Hauptrollen. Um nicht missverstanden zu werden: Tom Holland und Mark Wahlberg sind in den auf sie leibgeschneiderten Rollen großartig. Nathan Drake und Sully zählen keinesfalls dazu. Vielfach wurde angemerkt, dass ein jüngerer Wahlberg die perfekte Wahl als Nathan Drake gewesen wäre, und dieser Ansicht schließt sich der Rezensent an. Tom Holland wirkt zwar sympathisch und durchaus handkantenschlagfertig, aber den durchtriebenen Charme eines Computerspiel-Drake erreicht er nicht ansatzweise. Für Nichtkenner der „Uncharted“-Serie: Nathan Drake ist zwar ungemein gebildet, muskulös und mit übermenschlicher Akrobatikkunst ausgestattet, mitunter jedoch auch etwas naiv und tollpatschig. Sein Mentor Sully erscheint hingegen wie eine gereiftere Version Nathans, was folgerichtig zu einer von liebevollem Screwball-Geplänkel geprägten Vater-Sohn-Beziehung führt. Hierzu stößt noch als Dritte im Bunde das in der Verfilmung absente Love interest Elena Fisher, die weniger mit Muskelkraft, als mit Schläue und Witz glänzt.

Was die Computerspiele zur perfekten Unterhaltung für viele Stunden generierte, waren zudem die meist vortrefflich in Szene gesetzten Nebenfiguren und Antagonisten, etwa die durchtriebene Chloe Frazer, die weitaus gerissener ist, als es ihr zunächst aufs Äußere reduziertes Auftreten als Feme fatale vermuten ließe. Sophia Ali bemüht sich zwar redlich, aber sie wirkt meist so, als hätte sie sich in der Rolle geirrt und hielte sich für eine Lara-Croft-Kopie. Völlig verschenkt ist Antonio Banderas als Antagonist. Ohne spoilern zu wollen: Warum engagiert man einen ungemein charismatischen Antonio Banderas und gesteht ihm nur wenige Szenen zu? Über Tati Gabrielle als trotz ihrer dunklen Hautfarbe völlig blassen Auftragskillerin wollen wir lieber schweigen. Dieses Blog ist jugendfrei und dem grünen Kodex der antisexistischen Gleichbehandlung sämtlicher 122 (Stand: Heute vor zwei Vollmondphasen) Geschlechter verpflichtet.

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Was lange währt, wird … nicht wirklich gut

Um nicht länger auf den missglückten Castings herumzutrampeln, wollen wir uns der zentralen Frage widmen: Unterhält der Film wenigstens? Leidlich. „Uncharted“ bietet zwar viel Fanservice, was allerdings in diesem Fall bedeutet, eine teils aus “Uncharted 4: A Thief’s End“ zusammengeschusterte Geschichte serviert zu bekommen, allerdings ohne dessen Atmosphäre und durchaus vorhandene Tiefe. Nun soll nicht unfair geurteilt werden: Ein Zweistundenfilm darf natürlich nicht an den Möglichkeiten eines Computerspiels gemessen werden, das viele Stunden mehr Zeit hat, den Spieler in die erschaffene Welt zu ziehen. Deshalb soll der Genre-Primus Indiana Jones als Maßstab gelten – und hierbei zieht die „Uncharted“-Verfilmung eindeutig den Kürzeren. Zwar funktioniert der Schnitzeljagd-Aspekt in „Uncharted“, vermag es jedoch nicht, eine Verbindung zum jeweiligen Schauplatz aufzubauen. Nathan und Sully huschen von einem Ort zum nächsten und arbeiten brav die Rätsel ab. Von der Magie des Entdeckens von Geheimnissen oder verschollenen Schätzen ist „Uncharted“ so weit weg wie der österreichische Fußball von Professionalität. 

Hierin liegt das größte Problem der Verfilmung: Einer der größten Reize der Computerspielserie speist sich aus dem Lösen von Rätseln durch den Spieler. In den Indiana-Jones-Filmen stehen jedoch nicht die Rätsel im Mittelpunkt des Interesses, sondern die zur Lösung führenden Wege, was für den Zuseher weitaus aufregender ist, als lediglich der Abarbeitung von Rätseln beizuwohnen. 

Ein bisschen Spaß muss nicht sein

Die einzige Ebene, auf der die „Uncharted“-Verfilmung halbwegs funktioniert, ist die Action. Over the top war stets das Motto der Computerspiele, und hier lässt sich der Film nicht lumpen. Die Gesetze der Physik oder die Grenzen der Muskelkraft werden außer Kraft gesetzt – gleich den Computerspielen -, und so hangelt sich der Zuseher durch völlig absurde Actionsequenzen, die allerdings wiederum rar gestreut sind. 

Das beste Actionsetting bietet konsequenterweise die Fans von “Uncharted 3: Drake’s Deception” bekannte Sequenz, in der Nathan Drake aus einem Flugzeug geschleudert wird und sich mittels Auto-Konvoi in der Luft zurück ins Flugzeug kämpfen muss. Bloß: Als Gamer greift man hierbei unwillkürlich nach dem nicht vorhandenen Controller, kennt man diese Szene doch nur zu gut und möchte noch einmal den Nervenkitzel aus der Egoperspektive durchleben. Durchaus gelungen ist auch ein weitgehend mit Flaschen geführter Bar-Kampf.

Eine wirklich mitreißende Inszenierung sieht aber anders aus und fühlt sich auch anders an. Was in den „Uncharted“-Spielen wunderbar funktioniert, nämlich die Interaktionen der einzelnen Figuren, scheitert in der Verfilmung grandios. An keiner Stelle gewinnt man den Eindruck, Zeuge einer sich langsam aufbauenden Freundschaft zu werden. Was geschieht, geschieht einzig und allein vor dem Hintergrund des nächsten Hinweises der Schatzsuche. Damit kommt letztendlich das entscheidende Element der „Uncharted“-Serie zu kurz: Der Spaß. Was sich als einer von mehreren roten Fäden durch „Uncharted“ zieht, ist der Unterhaltungsfaktor. Actionreiche oder mitunter sogar dramatische Szenen werden stets durch Witze oder saloppe Anmerkungen aufgelockert. Ironischerweise verdankt sich der einzige rundum gelungene Gag der Verfilmung einem Cameo aus der Spieleserie.

Wer das Spiel nicht kennt => Uncharted: Legacy of Thieves (Game)

Fazit: 

Wenn die Rezension gar zu herb ausgefallen scheint, so ist dies der Enttäuschung über die allzu formelhafte Umsetzung geschuldet. Gerade im Fall von „Uncharted“ mit einer Millionenschar an treuen Fans hätten die Produzenten in die Vollen greifen und Mut zum Risiko beweisen können, anstatt sich weitgehend bei “Uncharted 4: A Thief’s End“ zu bedienen und den schnoddrigen Humor der Computerspiele offenbar aus Angst vor dem Verletzen ach so wertvoller Gefühle zu verleugnen. Für Nichtkenner der Spiele mögen all die Versatzstücke genügen, und für sich betrachtet bietet die Verfilmung anspruchslose, aber gediegene Popcorn-Unterhaltung. Fans der Serie, die sich eine würdige Leinwandadaption erhofften, dürften indes enttäuscht vom uninspirierten Ergebnis sein.

Um Nathan Drake zu zitieren, nachdem er sich den Kopf an einem Vorsprung gestoßen hat: „I did not see that!“ Nun ja, eigentlich hätte man es als Fan so kommen sehen müssen …

Rainer Innreiter

Die verwendeten Bilder aus "Uncharted": mit freundlicher Genehmigung von  © SONY Pictures Entertainment (Pressebereich)

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