Filmkritik: "Colossal" - Fantasy Dramödie mit Anna Hathaway

Anne Hathaway, Bild:
 Franci DB (Eigenes Werk) via Wikimedia Commons

Arbeitslos, verpeilt, schamlos lügend und Alkoholikerin. In Deutschland qualifizierten diese Umstände die junge Gloria (Anne Hathaway) für höhere politische Weihen. Doch ihr Freund Tim (Dan Stevens) hat endgültig die Schnauze voll von ihren Eskapaden und schmeißt sie aus der gemeinsamen Wohnung raus. Wenigstens muss sie nicht mehr die Koffer packen – das hat Tim bereits für sie erledigt. Völlig planlos fährt Gloria mit ihren Habseligkeiten zum Elternhaus nach Verschlafkaffistan. Zufälligerweise kreuzen sich dort die Wege mit ihrem alten Schulfreund Oscar (Jason Sudeikis), der sie prompt überredet, für ihn zu arbeiten. Prinzipiell eine erfreuliche Starthilfe, befände sich der Arbeitsplatz nicht hinter einer Kneipen-Theke. Wenig überraschend ist Gloria ihre eigene beste Kundin und torkelt sturzbesoffen nach Hause auf die gemütliche aufblasbare Matratze.

Das Erwachen schmerzt nicht nur aus katertechnischen Gründen: Zu ihrem Entsetzen erfährt sie, dass während ihrer ethanolbedingten Absenz ein riesiges Monster in Seoul verheerender wütete als ein Trupp Teutonen-Touristen beim Gratis-Buffet. Dem Schrecken nicht genug stellt sich heraus, dass das Monster offenbar von ihr gesteuert wird, was trotz Suffs nicht gerade berauschend für die Seoulianer endet. Was tun? Nach einem weiteren Besäufnis vertraut sie sich Oscar und seinen Freunden an – keine gute Entscheidung, wie sich schon bald zeigen wird …


 "Colossal" Trailer (deutsch)

Feste druff im Suff!

Im Zeitalter der ewig gleichen Superheldenfilme mit austauschbaren Plots (Aliens oder böse Superantihelden wollen die Welt zerstören und nur Superman / Transformatorboy / Lesbian Latex Lady / die League Of Luschen können sie stoppen. Vorerst. Es sollen ja noch fünfzig Sequels folgen können, ehe man denselben Scheiß mit einem Remake neu auftischt) ist man als gemeiner, wie auch als freundlicher Filmfan für außergewöhnliche Plots dankbar. Nacho Vigalondo, der spanische Regisseur mit einem Namen, der mir aus unerklärlichen Gründen das Wasser im Mund zusammenlaufen lässt, erweckt mit der abgefahrenen Prämisse Neugierde und schafft es im ersten Drittel seines ersten hoch budgetierten Filmes auch, die insbesondere durch den Trailer hoch gesteckten Erwartungen zu erfüllen.

Das liegt zum einen an der gewahrten Balance zwischen locker-flockiger Komödie und Sozialdrama, wie auch an Hauptdarstellerin Anna Hathaway, die zweifellos zu den talentiertesten Schauspielerinnen ihrer Generation zählt. Ohne in Hektik zu verfallen, treibt Vigalondo das Tempo voran und erreicht schließlich den aus den Trailern bekannten Spannungs-Zenit, wenn sich die Frage stellt, wie Gloria auf ihr Outing als zerstörerisches Monster in Seoul reagieren wird. Nordkoreanische Despoten mit dem Aussehen und dem Charme eines Kugelfisches hätten darauf bestimmt eine verblüffend einfache Antwort, die sich mit dem Slogan „Immer feste druff im Suff!“ zusammenfassen ließe. Leider wissen weder Gloria, noch Vigalondo, der auch das Drehbuch zu „Colossal“ verfasste, nicht so recht, wie sie mit dem moralischen Dilemma umgehen sollen.


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„Colossal“: Kolossale Kino-Katastrophe?

Nun soll natürlich nicht gespoilert werden – was sich bitte die im Gegensatz zu mir bezahlten Tüten in den Redaktionsstübchen bekannter Zeitungen und Magazine mal hinter die Lauschlöffel klemmen mögen -, es kann aber so viel verraten werden: Glorias Verhalten und die sich daraus ergebenden Konsequenzen befremden mit zunehmender Filmdauer. Überhaupt legt der Film eine drastische Wende zum Drama hin und mäandert zwischen Psychothriller und Alkoholismusstudie.

Kurzum: Der leichte Ton des ersten Drittels ist wie weggetrunken. Zwar möchte ich Vigalondo nicht den Mut absprechen, der Versuchung zu widerstehen, sich in seichtes, albernes Fantasy-Komödien-Geplänkel mit viel Selbstironie (soll heißen: „Nehmt mich nicht ernst! Zwinker, zwinker, kicher, kicher“) abzugleiten. Wer sich nach den Trailern eine SF- oder Horror-Komödie im Stile Edgar Wrights („Shaun of the Dead“, „The World´s End“, später Drehbuch-Co-Autor von „Ant-Man“) erhofft, wird enttäuscht, zumal der Film seiner eigenen Prämisse nicht treu bleibt und mehrere unerwartete, wie auch unnötige Wendungen einbaut, die den Film völlig vom Kurs abbringen.

Es scheint, als wollte Vigalondo zu Vieles unter einen Hut bringen, ohne auf das Endresultat Rücksicht zu nehmen. Ist „Colossal“ eine Parodie auf ostasiatische Kaiju-Filme? Ein Drama? Eine SF-Komödie? Ein Psychothriller im „Gone Girl“-Fahrwasser? Hohe Ambitionen in Ehren gehalten, darf das Ziel doch nie aus den Augen verloren werden, wie es hierbei leider im Verlauf der sich immer zäher gestaltenden zwei Stunden evident wird. Natürlich lädt die Metapher einer unter Alkoholeinfluss zerstörerischen Persönlichkeit nicht gerade zu harmlos-seichten Scherzchen ein. Die Ernsthaftigkeit, mit der das Thema ausgewalzt und später mit weiteren schweren Themen aufgeladen wird, lässt den Fokus des Streifens zusehends verschwimmen.

Obwohl die Figuren ernstgenommen werden, bleiben ihre Motive und Handlungsweisen meist rätselhaft, extreme Stimmungsschwankungen inbegriffen. Man wird das Gefühl nicht los, dass das Drehbuch seine Charaktere weniger als Menschen, denn vielmehr als Schachfiguren betrachtet, die sich der Handlung anpassen müssten und lediglich einem großen Plan in Form der bereits erwähnten Wendungen dienen.

Das verheerende Einspielergebnis von weltweit knapp fünf Millionen Dollar spiegelt wohl auch die getäuschte Erwartungshaltung wieder. Keinesfalls soll der Stab über „Colossal“ gebrochen und der Streifen als völliger Fehlschlag bezeichnet werden. Angesichts der originellen Prämisse und der Trailer vermag der Film letztendlich aber nur durch seine gelungenen Spezialeffekte und eine überragende Hauptdarstellerin überzeugen. Fans von SF-Komödien kann der Film mit kräftigen Abstrichen in der Erwartungshaltung durchaus empfohlen werden; idealerweise – Oh, welch‘ Ironie! – mit ein paar Bierchen intus, um die Längen des Films mit strategisch geplanten Pinkelpausen überbrücken zu können.

Disclaimer: Der Rezensent distanziert sich von jeglicher in seine Kritik hineininterpretierte Alkohol-Verherrlichung und betont, keinerlei finanzielle Zuwendungen seitens Willi’s Weizenbräu’s, dem würzigsten Weißbier Württemberg’s mit den albernsten Alkoholiker-Apostrophen, erhalten zu haben. Die zwanzig Kisten Bier tauchten für alle Beteiligten völlig überraschend in meiner Bude auf und wollten auch nach gutem Zureden durch einen zufällig anwesenden Bierarzt nicht ihre neue Heimat verlassen.

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