"50 Shades of Grey": Der perfekte Valentinstags-Film


Viel zu stöhn, um wahr zu sein: Attraktiver Milliardär verfällt schüchternem Studentenmäuschen, das sein Peitschenschlagsyndrom nicht goutiert. Einfach perfekt für den Valentinstag!
Künstliche Erregung ist nicht per se Kunst oder erregend. Und dennoch: Was Charlotte Roche mit ihrem Debilroman "Feuchtgebiete", einer Art SMS-Chat-Porno für die LOL-Generation, gelang, wuchs im Falle von "50 Shades of Grey" zu einem globalen Phänomen heran. Den Roman musste man einfach gelesen haben, um sich mitempören zu können. Laut Wikipedia verkaufte sich das BDSM-Büchlein anfangs durch Mundpropaganda. Erst später wurde es zum durchschlagenden Erfolg. Und wer jetzt denkt: Mäh, das sind ja aufgelegt schlechte Scherze, der sollte besser gleich mit dem Lesen aufhören, da nachfolgende Zeilen mit allerlei vulgären Kindereien gespickt sind. Hey, ganz wie der Film, den ich dennoch als idealen Valentinstags-Film empfehlen möchte.

EL James, aka: Snowqueens Icedragon
"Geheimes Verlangen" nennt sich der Untertitel des ersten "50 Shades of Grey"-Romans. Nun, gar so geheim war das Verlangen nicht, nachdem er sich offenbar schneller verkaufte als die Harry-Potter-Bücher. Nimm das, Google: "50 Shades of Grey" und Harry Potter in einem einzigen Satz! Ersonnen wurde das Werk mit viel Gespür für Triebe von Erika Leonard, die es unter dem Pseudonym E. L. James veröffentlichte. Was dem notorisch unterbelichteten Artikelautor zwei Fragen abringt. Erstens: Hat ein Pseudonym nicht den Zweck, den realen Namen zu verhüllen? Zweitens: Warum behielt Mrs. James nicht ihr ursprüngliches Pseudonym "Snowqueens Icedragon" bei?



Gewiss: Das klingt bescheuert, passt aber wie die Faust aufs Popöchen, wenn man bedenkt, dass die erste Version von "50 Shades of Grey" noch "The Master of the Universe" hieß und eine Fanfic(k)tion zu "Twilight" war. So was kann man sich gar nicht ausdenken, das muss man einfach über sich ergehen lassen wie einen Einlauf. Bei "Master of the Universe" denkt man doch sofort an die idiotische Spielzeugserie aus den 80ern mit dem absurd übermuskelten Nibelungenlied-Siegfried-Klon He-Man und seinem Erzfeind Skeletor, der verblüffende Ähnlichkeit mit einer bekannten deutschen Politikerin aufweist, wobei er ungleich sympathischer auftritt.

 
"Wir schalten nun zur größten Open-Air-BDSM-Veranstaltung der Welt" (Bild: https://pixabay.com/)

 
So sieht ein Hausfrauenporno aus!
Schon bald war "50 Shades of Grey" als Hausfrauenporno verschrien, was natürlich völliger Quatsch ist. In Hausfrauenpornos verfällt die bildhübsche, jungfräuliche Protagonistin nicht einem attraktiven Milliardär. Vielmehr rufen in solchen Pornos dezent überschminkte Hausfrauen den Klempner an, wenn der Wasserhahn tropft, was dann vermutlich mit geistreichen Dialogzeilen wie: "Sonst noch was undicht, das ich stopfen könnte? Höhöhö! Rülps", romantisch von der Handwerkskunst eines Darstellers, der die Rohrzange verkehrt herum hält, zur "Oh, Mist. Ich habe. Kein Geld. Mehr zu Hause. Soll ich. Ihnen einen. Blasen"-Szene führt. Falls Hausfrauenpornos anders ablaufen sollten, setze ich hiermit mein copyright unter beschriebene Darstellung. Wehe, da vergreift sich einer dran!
Apropos "vergreifen": "50 Shades of Grey"! Wie kann man diesen Erfolg begreifen? Um dem Film ein Kompliment zu machen: Die Kameraarbeit ist erste Sahne. Nach der kurzen Einführung der Charaktere – er: Smarter Milliardär, sie: Graues Mäuschen, obwohl sich eine junge Frau wie Dakota Johnson im wahren Leben die Männer wohl mit Pfefferspray-Bazookas vom Leib halten müsste – geht es in die Vollen: Da ihre Freundin Kate (epischer Realname: Eloise Mumford) schwer erkrankt ist (in Filmsprache: Sie liegt gemütlich mit einer Decke auf der Couch und wirkt ungefähr so krank, wie der Artikelautor sportlich), übernimmt Literaturstudentin Anastasia Steele ihr Interview für die Student_*Innenzeitung. Christian Grey (Jamie Dornan), der unverschämt gutaussehende, milliardenschwere Milliardär hat sich aus welchen Gründen auch immer bereit erklärt, seine wertvolle Zeit für ein unbedeutendes Studentenschmierblatt, mit dem man höchstens den verschütteten Kaffee aufwischt, zu verplempern.



 
"Henry, ich liebe dich, aber ich kann dieses Pferdekostüm echt nicht mehr ertragen!" - "Schnauze!" - *Peitsch* (Bild: https://pixabay.com/)

 
Ah, aber das ergibt natürlich die Gelegenheit für die beiden, sich kennen und auspeitschen zu lernen. Wobei Anastasias (ernsthaft? Anastasia Steele? So heißen Comicheldinnen, aber keine Frauen im realen Leben! Im echten Leben heißen Frauen "Ich ruf gleich die Polizei, du Arschloch!" und "geht dich einen Scheißdreck an" … jedenfalls soll ich sie so nennen) erster Auftritt von Charlie Chaplin inspiriert sein dürfte: Sie stolpert in Greys Büro. Buchstäblich. Hätte man die Szene mit einem "Boooing!"-Laut wie aus einem Looney Tune untermalt, wäre es wenigstens lustig gewesen. Aber so setzt sich Anastasia gleich in die Nesseln, indem sie die vorbereiteten Interview-Fragen ihrer Freundin vorliest. Ich zitiere: "Are you gay?"

 
"Mami, was tun die Bärlein da?" - "Äh, sie lieben sich!" - "So, wie du den Briefträger, Onkel Bill und meinen Klavierlehrer liebst?" (Bild: https://pixabay.com/)
 
Ein Fick hinter die BDSM-Kulissen
Snowqueens Icedragon (meine Texte liest sowieso niemand, da kann ich gleich bei diesem Pseudonym bleiben) mag sich darob vor Lachen gebogen haben wie ein Ochsenziemer beim Impact. Im Film wirkt das Ganze aber doch ein wenig … sagen wir lächerlich. Da erklärt sich einer der reichsten und damit mächtigsten Leute des Landes zu einem Interview mit einem Schmierblatt, das man normalerweise zum Erschlagen von Kakerlaken benutzen würde, um noch einmal ein bisschen über Studenten herzuziehen, bereit, und dann stellt eine Studentin eine solche Frage? Wie hätte ihre Frage bei einem Interview mit Präsident Obama gelautet? Vielleicht: "Yo! What's up, Nigga!"?
Das macht aber nichts, denn sofort erkennt BDSM-Liebhaber Grey: Das ist eine Frau, die meine SM-Gelüste stillen wird! Das heißt: Eigentlich ist das nicht wirklich ersichtlich, außer durch Filmlogikbrillen betrachtet, wo es völlig selbstverständlich erscheint, dass eine superheiße Schnitte in der Schule gemobbt wird, weil sie unmodische Schuhe trägt. Anastasia glaubt, alles verbockt zu haben, und kehrt in ihren Brotjob zurück: Sie ist Verkäuferin im Baumarkt. Nicht bei Hornybach, sondern im typischen Hollywood-Baumarkt, wo alle Leute attraktiv sind. Man gestatte mir diese Anmerkung, doch so verblüffend es auch klingen mag, habe ich noch in keinem Baumarkt eine dermaßen attraktive Verkäuferin wie Dakota Johnson angetroffen. Tatsächlich habe ich noch in keinem Baumarkt Verkaufspersonal angetroffen. Sollte ich mein Hemd doch öfter als zu jedem Schaltjahr waschen?

 
Der klassische Bauernerotikroman: 50 Shades Of Hay (Bild: https://pixabay.com)

 
Kennt ihr den? Kommt ein Serienkiller in den Baumarkt und fragt nach Klebebändern und Seilen ...
Oder vielleicht die Grey-Masche probieren? Der fragt nach Klebeband und Seil nach, was Anastasia überhaupt nicht seltsam dünkt. In jedem anderen Film wären das Alarmzeichen für einen Psychopathen, der gerade wieder zwei Leute überfallen, im Keller eingesperrt und festgestellt hat, dass ihm das Klebeband zum Knebeln ausgegangen ist. Bei dieser Gelegenheit eröffnet ihr Christian Grey auch gleich, dass er sich gerne auszieht. Von nun an laufen sich die beiden immer wieder über den Weg. Streng betrachtet betreibt der milliardenschwere Milliardärs-Milliardar Stalking. Doch in einer Romantikkomödie wie "50 Shades of Grey" sollte man nicht gar zu pinkelig sein und Greys Besessenheit auf seinen Urinstinkt zurückführen, der da heißt: Frauen sind wie Klopapier – nach Einmalbenutzung weg damit.
Und dennoch ist Anastasia ganz hin und weg von Mr. Grey, der für einen schwer beschäftigten Unternehmer überraschend viel Zeit an der Hand hat und mal eben auf einen Kaffeeplausch gehen kann. Restlos überzeugt von ihm ist sie nach der Klischeeszene 1.221, aka: "Aufdringlicher Typ will Frau gegen ihren Willen küssen und darf deshalb vom Helden in den Arsch getreten werden, was die Frau supersexy findet". Da sie auch schon etwas angeheitert ist, bringt er sie ins Hotel. Wo er nicht über sie herfällt wie Claudia Roth über ein AfD-Poster, sondern … nun ja, sie schlafen lässt. Am nächsten Morgen ereignet sich die einzige tatsächlich witzige Szene des Films: Anastasia isst im Bett eine Toastscheibe, von der ein ernackter Grey abbeißt und bemerkt, er würde lieber in ihre Lippe beißen. Irgendwann haben sie dann doch Geschlechtsfickfuckverkehr, woraufhin ihr Christian gesteht, dass er nicht auf normales hoppe-hoppe-Reiter steht, sondern auf BDSM.
 
Sie, ganz moderne Frau von heute, glaubt, dass sie trotzdem tiefere Gefühle in ihm entfachen kann. Er, ganz Pragmatiker, setzt einen Vertrag auf, der genau deklarieren soll, welche Spielarten seiner Triebe er wie und wann ausleben darf. Und ja, das ist genauso romantisch, wie es klingt. Andererseits erweist sich die angeblich erwachsene, in einem westlichen Staat sozialisierte Anastasia als noch naiver als ein CDU-Wähler: Als ihr Christian sein Spielzimmer zeigen will, vermutet sie eine xBox darin. Um fair zu bleiben: Beim Anal Fisting im Vertrag wäre ich auch skeptisch geworden und hätte die ersatzlose Streichung gefordert. Andererseits fragt die junge Frau nach, was ein Butt-Plug ist. Das ist ungefähr so, als würde man nachfragen, was ein Porzellanteller ist: Es steckt im Namen. Ehe es im … na, ihr wisst schon. Irgendwie ist dieser Artikel schön langsam für den Arsch.


Küchentischpsychologie 101 
Was ihn auf wunderbare Weise mit "50 Shades of Grey" vereint. Ich möchte meinen größten Kritikpunkt kurz darlegen. Es handelt sich dabei nicht um Jamie Dornans blasse Performance, die selbst von der schlafwandelnden Anästhesia an die Wand geklatscht wird. Es ist auch nicht die abgenudelte Küchentischpsychologie von wegen: "Meine Mutter war eine Hure, ich habe nie Liebe erfahren, deshalb bin ich Sadist geworden, buhuhu!"


50 Shades of Doris Day
Nein, das wahre Problem an der Verfilmung von "50 Shades of Grey" ist folgende: Das ist kein Film, sondern eine Abfolge von Szenen, die irgendwo beginnen und irgendwo enden, Hauptsache ein bisschen Schmuddelkram. Und selbst davon ist nicht wirklich viel zu sehen. Ein paar Mal wird der Nippel durch die Lasche gezogen, Jamie Dornans häufigste Regieanweisung dürfte: "Zieh das Hemd aus!" gelautet haben, und Greys Spielzimmer ist tatsächlich beeindruckend bestückt, falls man Peitschen-Fetischist ist. Im Grunde genommen funktioniert der Film wie ein versautes Aschenputtel-Märchen. Und wer beim Durchlesen der terms and conditions im Apple-Store sein Höschen benetzt, wird bei den Szenen mit den Vertragsverhandlungen die Englein singen hören. Mein lieber HerrInnen Gesangsverein: Da waren ja die Doris-Day-Komödien noch pure Erotik dagegen!

Wenn ihr diesen Artikel schon schlecht findet, werdet ihr von meinen Büchern restlos entgeistert sein!
Nun gut, jeder nach seinem Fasan. Mit Spannung hat das meiner Ansicht nach so viel zu tun, wie Österreich mit dem Fußballweltmeistertitel. Ah, aber die Romantik: Sie (21, Literaturstudentin, ein bisschen schüchtern, mag lesen und Klebebänder, suche eine ernsthafte Beziehung ohne Analitäten, schreib mir an ichbineinverschissenerspammerdertotumfallensollte@sub.dom) möchte ihn zur wahren Liebe bekehren! Wird es ihr gelingen? Das erfahren wir in Teil 2! Besser gesagt: Das erfahrt ihr in Teil 2, denn nach diesem langweiligen "huch, ich bin so verrucht!"-Quargel für Leute, die entweder zu verklemmt oder zu doof sind, im Web nach echten Pornos zu suchen, hat mir mein Gehirn zu verstehen gegeben, dass ich mich entscheiden kann: Entweder bleiben mein Gehirn und ich Freunde, oder ich gucke mir Teil 2 an und kann mich von ihm verabschieden. Nicht, dass nach meiner letzten Gehirnspende für ein halbes Dutzend grüner Feminstinnen noch viel übriggeblieben wäre.
Und warum ist "50 Shades of Grey" nun der ideale Valentinstags-Film? Ganz einfach: Nach diesem Zweistünder, der sich wie eine achtstündige Doku über einen mongolischen Hirtenjungen mit Blasenproblemen anfühlt, hält jede Frau den Mann an ihrer Seite für einen charmanten Romantiker. Ich spreche aus Erfahrung! Das heißt: Nein, ich habe keinerlei Erfahrung damit, nachdem Frauen für mich so was wie Bigfoot sind: Existieren angeblich, Beweise dafür habe ich noch keine gefunden. Aber das ist eine ganz andere Geschichte, die ihr nicht lesen wollt.





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