„10.000 B.C.“ – Roland Emmerichs Mammutspektakel

Der mit dem Säbelzahntiger tanzt – und monströs daran scheitert

Nach vierjähriger Pause kehrt Roland Emmerich mit einem ehrgeizigen, pompösen Film zurück. Und lässt sich nicht lumpen: Ein Mega-Budget von über hundert Millionen Dollar sowie eine massive Marketing-Kampagne machten das urzeitliche Spektakel zum ersten Blockbuster des Jahres 2008. Jedenfalls aus finanzieller Sicht, denn leider entpuppt sich „10.000 B.C.“ als unausgegorener, über weite Strecken zähflüssiger Versuch eines steinzeitlichen Action-Spektakels.

 

First Action-Hero aus dem Neandertal

Zwölftausend Jahre in der Vergangenheit: Der junge D’Leh (ein Anagramm von „Held“) ist seit Langem in die attraktive Evolet verliebt. Der jedes Jahr ersehnte Tag der Rückkehr der Mammuts bietet allen männlichen Stammmitgliedern die Gelegenheit, sich als mutiger Jäger zu beweisen. Tatsächlich erlegt D’Leh den mächtigen Leitbullen der riesigen Mammut-Herde und wird entsprechend gefeiert. Dass ihm dieses Kunststück eher zufällig und nur dank einer gehörigen Portion Glück gelang, lastet schwer auf seiner Seele.

Als sein Stamm, wie viele andere, von den „vierbeinigen Dämonen“ überfallen und zahlreiche Freunde, darunter Evolet, verschleppt werden, kann D’Leh beweisen, dass doch ein Held in ihm steckt. 


Wildes Fantasy-Potpourri

Dass es Emmerich mit den historischen Fakten nicht so genau nehmen würde, war natürlich zu erwarten. Doch „10.000 B.C.“ mischt einen selbst für Hollywoodverhältnisse extrem bizarren Fantasy-Cocktail, der nur schwer zu schlucken ist. Neben Mammuts und Säbelzahntigern, die im eiszeitlichen Europa tatsächlich verbreitet waren, lässt Emmerich sogenannte Terrorvögel auf die Jagd nach unvorsichtigen Opfern gehen.

Allerdings nicht in Europa, sondern in Ägypten, das laut „10.000 B.C.“ gleich zwischen einem Dschungel (!) und den vereisten Bergen Europas liegt und per Fußmarsch bequem zu erreichen ist.

Dass die Terrorvögel ausschließlich den amerikanischen Kontinent bevölkerten und seit Millionen von Jahren ausgestorben sind, nimmt sich dagegen fast schon als Petitesse aus. 

Der 13. Steinzeitkrieger

Einigermaßen beeindruckend gestaltet sich lediglich eine – leider viel zu kurze – Mammut-Jagd, die den einzigen inszenatorischen Höhepunkt bietet.

Erheblich spannender als das Verfolgen der sich müde dahinschleppenden Handlung erweist es sich, die vielen ins Auge springenden, cineastischen Déjà-vu-Erlebnisse zu zählen. Einige Szenen aus dem Überfall auf das Steinzeitdorf könnten direkt aus John McTiernans „Der 13. Krieger“ stammen, wenn sich die „vierbeinigen Dämonen“ als in Felle gekleidete, gehörnte Helme tragende Sklaventreiber auf Pferden entpuppen.

Gleiches gilt für die weise „alte Mutter“, die man ebenfalls aus „Der 13. Krieger“ oder „Matrix“ kennt.

An eine der Fabeln Äsops erinnert eine Szene, in der D’Leh einem Säbelzahntiger aus rein dramaturgischen Gründen das Leben rettet – dass besagte Riesenkatze dem braven Mann später hilfreich zur Seite steht, dürfte kaum überraschen.

Blasse Inszenierung

Überraschender hingegen ist die überaus dröge, völlig uninspirierte Inszenierung, die man von einem Regie-Neuling, keinesfalls aber von einem versierten, langjährigen Profi wie Roland Emmerich erwartet hätte. Dabei betritt Deutschlands erfolgreichster Hollywoodexport beileibe kein ihm völlig unvertrautes Terrain: Ob „Independence Day“, „Stargate“ oder „The Day after tomorrow“ – mit wuchtigen Actionspektakeln hat sich Emmerich einen guten Namen erworben.


Umso erstaunlicher mutet die unentschlossene, ja, geradezu hilflose Dramaturgie von „10.000 B.C.“ an. Wie in einem Computerspiel hetzt der Protagonist von Punkt A nach Punkt B. Die schier beliebig wirkende Aneinanderreihung von Schauplätzen und Handlungselementen ergibt keinen flüssig inszenierten Streifen, sondern wirkt szenenweise wie ein Zusammenschnitt verschiedener Filme.

Technisch zwischen Top und Flop

Nicht einmal technisch weiß „10.000 B.C.“ zu überzeugen. Während die Mammuts verblüffend realistisch wirken, fällt der Säbelzahntiger erschreckend schludrig animiert aus.

Wobei angemerkt werden muss, dass dies das Kraut auch nicht mehr fett macht, denn sowohl diese Urzeitkolosse, die Terrorvögel als auch besagte Raubkatze bekommen bei Weitem nicht jene Leinwandpräsenz, die zu erwarten gewesen wäre.

Vor allem die bizarren Riesenvögel sind nur in wenigen Szenen, und auch dann nur kurz zu bewundern. Später spielen sie überhaupt keine Rolle mehr.

„Stargate“ reloaded

Wie schon in seinem ersten Blockbuster „Stargate“ kehrt Emmerich zu den Pyramiden zurück. Und auch diesmal erweisen sich die Bauherren als zwar technologisch überlegen, moralisch aber verdorben, brutal und schlichtweg böse. Und wie in „Stargate“ wird eine Rebellion angezettelt, die sich, wie in jedem Emmerich-Film, gegen die technologisch höherstehende Zivilisation richtet.

Nerviger Erzähler

Quasi zum Drüberstreuen präsentiert „10.000 B.C.“ einen namenlosen Erzähler, der gleich zu Beginn des Filmes jede Menge Hintergrundinformation vom Stapel lässt und immer wieder völlig unnötige Kommentare zum Leinwandgeschehen abliefert. Ein Film als Hörbuch – das hat schon in Oliver Stones bildgewaltigem, aber sterbenslangweiligem „Alexander“-Epos nicht funktioniert.

Enttäuschend

Die teilweise unfreiwillig komischen Dialoge und viele Unstimmigkeiten in Zusammenhang mit Steinzeitmenschen, wie perfekt gestutzte Bärte, Rastazöpfchen oder der sonnengebräunte Teint Evolets, sowie linguistische Kuriositäten, wie etwa, dass die Urzeitmenschen kein Wort für Schnee, dafür jedoch Wörter wie „Leitbulle“ kennen, machen „10.000 B.C.“ zur faustkeildicken Enttäuschung, die auf keine Mammuthaut geht. 



Text: Rainer Innreiter

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