"Jupiter Ascending" - Wachowskis Descending

Hatte Erich von Däniken Recht? In "Jupiter Ascending" erschaffen Aliens Menschen für dunkle Zwecke. Reh-Äuglein Mila Kunis und Wolf-Mensch-Mischmasch Channing Tatum haben was dagegen.


Gut gemeint und doch Lichtjahre weit daneben: Mit "Jupiter Ascending" liefern die Wachowski-Geschwister ihren nächsten Mega-Flop ab. Häme ist indes nicht angebracht, denn immerhin unternehmen die untrennbar mit den "Matrix"-Filmen verbundenen Regisseure und Drehbuchautoren den Versuch, ein originäres Science-Fiction-Epos zu erschaffen, anstatt sich einer kultisch verehrten Vorlage oder der Recycling-Tonne zu bedienen. Das Ergebnis ist zwar ein rundum gescheiterter Mix aus Science Fiction, Fantasy, Marvel-Comic und Cinderella. Aber diesem Scheitern zuzusehen hat auch etwas Faszinierendes an sich.


Im Anfang war die "Matrix", ein in der Tat beeindruckender, subversiver Schlag gegen das dröhnend-vorhersehbare Blockbuster-Kino der späten 1990er Jahre. Plötzlich war alles anders: Jede zweite Komödie hielt sich für unglaublich lustig, eine unpassende bullet-time-Referenz einzubauen, Keanu Reeves durfte man endlich wieder cool finden, und die millionenfach ins Kino stürmenden Zuschauer signalisierten Hollywood, dass selbst Blockbuster eine anspruchsvolle, clevere Story aufweisen dürfen, ohne dass sie panisch aus dem Kinosaal flüchten und bei Michael Bay um Asyl auf Grund intellektueller Überforderung ansuchen.


Und am Wichtigsten natürlich: Der gewaltige Erfolg der unnötig zur Trilogie aufgeblasenen Filmreihe verschaffte den Wachowski-Geschwistern den Ruf der neuen Publikums- wie auch Hollywood-Lieblinge. Fast zwei Milliarden Dollar spielten die drei "Matrix"-Filme alleine in den Kinos ein. Entlohnt wurden die Wachowskis fortan mit Blanko-Schecks, stets in der Hoffnung ausgestellt, sie könnten einen neuen "Matrix"-Kult aus dem Ärmel zaubern. Stattdessen erwiesen sich die Filme der beiden fortan als reine Abschreibposten. Mit geradezu traumwandlerischer Sicherheit setzten sie einen enorm teuren Film nach dem anderen in den Sand. Mit "Jupiter Ascending" könnten sie den allerletzten Kredit verspielt haben – und so sarkastisch dies auch klingen mag, vielleicht ist es sogar am besten für sie! Doch der Reihe nach.


Mila Kunis putzt jedes Rohr

"Sorry, Jungs, die Räumungsklage ist durchgegangen"
Bild: pixabay.com

Vom Tellerwäscher zum Millionär? Da geht noch viel mehr, etwa von der Kloputze, pardon: Urinalreinigungsfachfrau, zur Weltraumprinzessin, par exemple. Und das geht so: Jupiter Jones (Erstens: Gewohnt rehäugig von Mila Kunis gespielt. Zweitens: Viel ominöser und prätentiöser als die Wachowskis kann man seine Figuren eigentlich kaum nennen) wurde von den Sternen Großes in die Wiege gelegt. Da ihr Vater von gesellschaftlich diskriminierten Wohlstandsverlierern nicht ganz gesetzeskonform seines Existenzrechts beraubt wurde, nachdem er sein Teleskop beschützen wollte, ist Jupiter von dem Wunsch beseelt, ein teures Teleskop zu erwerben.Mit der Reinigung von Toiletten ist die nötige Kohle nicht aufzutreiben, da sich offenbar keine Goldscheißer unter ihrer Klientel befinden. Was tun, sprachen die Wachowskis? Heureka, Erika: Aber natürlich! Ihre Eizellen verkaufen! Wer möchte schließlich keine Tochter, die wunderschön wie Mila Kunis ist, jedoch nicht auf den Gedanken verfällt, als Model massig Geld zu verdienen, anstatt in der Scheiße anderer Leute zu wühlen?

Doch seltsames ereignet sich in der Klinik: Aliens, gleich jenen, deren Besuch bei einer Freundin sie mit ihrem iZellenphone festgehalten hat, wollen ihr ans Leder. Operation gelungen, Patient tot?
Da ist Superdog vor! Der selbstverständlich ebenfalls außerirdische Caine (Channing Tatum) rettet Jupiter (Spoiler: Nicht zum einzigen, sondern zum im Verlaufe der nächsten zwei Stunden schätzungsweise fünftausendzweihundertelf Male), bringt sie in Sicherheit (Anmerkung: Der Rezensent hätte sie zur Sicherheit in sein Schlafzimmer eingesperrt) und eröffnet ihr Erstaunliches: 


Die Menschen wurden von einer Alienrasse, die einst die Dinosaurier ausrottete und ihre Knochen verbuddelte, damit wir ein paar Millionen Jahre später ulkige Filme wie "Jurassic World" drehen können, gezüchtet, um ihr Gen-Material zu ernten, das eine Art Jungbrunnen für außerirdische Wesen ist. Cooler aber: Jupiter ist die Reinkarnation einer Alien-Königin, was auch erklärt, weshalb Bienen ihren Befehlen gehorchen. Bienen fühlen nämlich adeliges Blut – zugegeben: Das war auch dem Schreiber dieser Zeilen neu.


Caine selbst ist eine Mischung aus Wolf, Mensch, Alien, und was sonst noch an Resten vom vortägigen Abendessen im Kühlschrank war. Das schmeckt freilich den Overlords der Aliens nicht, die fürchten, dass Jupiter nunmehr legitime Besitzerin der Erde ist (intergalaktisches Erbrecht ist sehr kompliziert), weshalb Balem (Eddie Redmayne) und sein Bruder Titus (Douglas Booth) alles daran setzen, die wiedergeborene Königin entweder zu eliminieren oder zu heiraten, je nach Stimmungslage und Hormonspiegel.


Gelingt dem Brüderpaar das sinistre Treiben? Erhört Caine Jupiters Avancen ("I love Dogs!" – romantische Dialogzeile aus "Jupiter Ascending", Budget ca. 200 Mio. Dollar), leckt ihre Venushügel und beschnüffelt ihren royalen Anus? Oder säuft er doch nur wieder aus der Klomuschel und verwandelt sich bei Vollmond in den Stripper Magic Mike? Bekommt Jupiter ihr Teleskop? Darf Eddie Redmayne trotz seiner absurden Performance seinen "Oscar" behalten oder wird er ihm nachträglich aberkannt?



Schwafel-Oscar für "Jupiter Ascending" (ja, ja, wer im Scheiß-, äh, Glashaus sitzt ...)

Um auch nur die Hälfte des Plots nachvollziehen bzw memorieren zu können, benötigt man wohl ein Gehirn der Stephen-Hawking-Klasse. Da trifft es sich gut, dass mit Eddie Redmayne ein Schauspieler an Bord ist, der für seine Darstellung des Physik-Genies den "Oscar" erhalten hat. Gäbe es einen Laber-Oscar, "Jupiter Ascending" würde ihn jedes Jahr erneut gewinnen. Selten zuvor wurde in einem Film dermaßen viel geschwafelt. Und hierbei reden wir nicht von lockeren Unterhaltungen, sondern davon, dass manche Sätze ganze spin-offs rechtfertigen würden. Gerechtfertigt wäre allerdings auch so etwas wie eine Reaktion auf dem Gesicht der Hauptdarstellerin.

Und wie soll ich das sagen, ohne uncharmant zu wirken und meinen begründeten Frauenhass allzu offensichtlich zu machen … Mila Kunis einfach nur anzugucken ist irgendwie spannender, als ihr bei ihren hilflosen Schauspielversuchen zuzusehen. Im Wesentlichen beherrscht sie lediglich zwei mimische Darstellweisen: Hübsch aussehen und lächeln, oder hübsch aussehen und wie ein kleines, süßes Hündchen um Beistand zu winseln. In "Black Swan" fiel das nicht weiter auf, da sie lediglich eine Nebenrolle besetzte und – seien wir ehrlich! – das einzige Interessante an ihrer Rolle die Lesbenszenen (Spoiler!) mit Natalie Portman waren.

Ausgerechnet Miss Two-Face als Hauptdarstellerin zu besetzen, ist allerdings noch das geringste Problem an "Jupiter Ascending", wenngleich es zugegebenermaßen belustigt, wie sie mit leerem Gesichtsausdruck etwa hinnimmt, dass ihre beste Freundin von Aliens belästigt wird, die offenbar nichts von der mittlerweile berühmten Armlänge Abstand gehört haben. Die Dinosaurier wurden von Aliens ausgelöscht? Aha. Interessant. Und besagte Aliens erschufen uns Menschen? Mhm. O mein Gott! Ich muss ja noch Milch kaufen! Geht sich das aus? Nein, weil ich von Aliens entführt und mal getötet, mal zwangsverheiratet werden soll? Macht nichts.


Nicht für die Schule, für "Jupiter Ascending" lernen wir, oder: Eddie Redmayne, Mann über Wort!

Sicher: Das Bemühen ist erkennbar, mit "Jupiter Ascending" einen Kultfilm zu schaffen, und wie eingangs erwähnt, muss man den Wachowskis Respekt für ihren Mut zollen, sich nicht auf einen Millionenseller oder eine etablierte Filmreihe zu berufen, sondern – fast schon obszön in diesen Zeiten – etwas völlig Neues erschaffen zu wollen. Nun gut, es gibt bekanntlich nichts Neues unter der Sonne, und natürlich ist "Jupiter Ascending" ein aus Versatzstücken von "Dune", "Star Wars" oder Erich von Dänikens Theorien zusammengeschraubtes Vehikel, das beim TÜV für Gelächter sorgte.


Man könnte den Film auch so zusammenfassen: Stellt euch einen typischen Basketballer vor, der sich in der Kinderabteilung bei H&M einkleiden möchte. Da passt einfach gar nichts. Man wird das Gefühl nicht los, dass eine ganze Filmreihe auf zwei Stunden komprimiert wurde. Anfangs lässt sich der Plot ja noch einigermaßen logisch nachvollziehen (Mila Kunis sieht hübsch aus, putzt Scheißhäuser und ist mit ihrem Leben unzufrieden … verständlich! Ach, wenn sie doch bloß wunderschön wäre und ein Model werden könnte …). Doch spätestens nach dem ersten Drittel verliert man die Übersicht und wähnt sich zurück in der Schule, als über den asthmatisch keuchenden Projektor ein Lehrfilm aus den 1970er Jahren ruckelte. "Jupiter Ascending" ist etwa eine Million Mal teurer produziert, aber ähnlich spannend und mit ungefähr ebenso viel Information gespickt. Mit der Eintrittskarte bzw. blu-ray sollte man ein bebildertes Lexikon erhalten, um ein Stückchen weit dem Plot folgen zu können.


"Überfrachtet" wäre eine Untertreibung, und zwar in jenem Sinne, dass Eddie Redmayne ein klein bisschen overacting betreibt. Nur zu gerne wüsste ich um die Regieanweisungen: "Eddie, bitte starre ganz furchtbar bedeutungsvoll an der Kamera in die Leere hinein und murmle deine Worte so, als würde dir ein Haarbällchen im Hals stecken und du könntest dich nicht entscheiden, ob du ein ersticktes Husten oder ein Röcheln von dir geben solltest". Der Rezensent meint: Was bezweckte man mit dieser Performance? Sollte das furchteinflößend wirken? Bedeutungsschwanger? Oder war das Ganze ein Pilotversuch um auszutesten, wie viele Wörter man verschlucken kann, bis der Zuschauer in den Schlaf gemurmelt wurde?


Mila in distress

Unzweifelhaft sind die Wachowskis Visionäre. Nur leider erschließen sich die meisten ihrer Visionen nicht ganz. Wie schrecklich missverstandene Aktionskünstler, deren Kotze auf einem Flokati nicht als der grandioseste Protest gegen Krieg seit John Lennons und Yoko Onos Bed-Ins gefeiert wird, mäandern die Wachowskis auf dem schmalen Grat zwischen Selbstüberschätzung und Publikumsunterschätzung. Natürlich darf und soll ein Film philosophische Gedanken hegen. Gerade den Regisseuren der "Matrix" wird dies niemand in Abrede stellen. Bloß: Zumindest der erste Teil der "Matrix" war spannendes, gut gemachtes Actionkino mit bedeutungsvollem Geplänkel – und davon ist "Jupiter Ascending" so weit entfernt, wie Mila Kunis vom Oscar.
Apropos: Abgesehen von teils grauenhaften, teils unfreiwillig komischen Dialogen enervieren die unausgegorenen Figurenzeichnungen. An vorderster Front der Abteilung Matronenfutter: Jupiter Jones für ihr magengrubenerschütterndes Comeback der in der Versenkung verschwunden gewähnten damsel in distress. Nachfolgend fasse ich kurz ihre herausragenden Aktivitäten zusammen (Spoiler!):


Hübsch aussehen und in die Gegend starren bzw. Caines Hundeohren (oder was auch immer diese Mischung aus Spock-Ohren und im Ramschladen gekauften Dracula-Spitzohren darstellen sollte) anschmachten

Um Hilfe schreien

Hübsch aussehen

Kleidung wechseln

Hübsch aussehen

Gerettet werden

Hübsch aussehen

Gerettet werden

Oh, pardon, ich vergaß: In einigen Szenen sieht sie hübsch aus und muss gerettet werden. Beinahe hätte ich diesem Meisterwerk Unrecht getan!
Letzten Endes ist "Jupiter Ascending", um bei Jupiter Jones‘ Profession und Leidenschaft zu bleiben, wenig mehr als ein wunderschön eingerichtetes W.C. mit Marmorwänden, goldenen Wasserhähnen, Handtüchern aus feinster Seide … aber im Grunde genommen fragt man sich hernach: "Wozu der ganze prunkvolle Aufwand? Ich habe ja doch nur hineingeschissen." Die Antwort kennen bloß die Wachowskis, wobei sie ihr angesichts des Mega-Flops wohl kaum mit einem Sequel die nötige Leinwand verschaffen können.


Zurück zu den "Bound"-Wurzeln, bitte

Vielleicht – und dies sei ohne Zynismus geschrieben – ist der herbe Flop sogar heilsam. Ihren aus Sicht des Rezensenten besten Film lieferten sie mit dem no-budget-Thriller "Bound" ab. Es wäre gewiss kein Schaden, würden sich die Wachowskis ihrer Wurzeln besinnen und sich mit kleineren Projekten ihre Reputation zurückholen, die sie mit skurrilen Filmen wie "Jupiter Ascending" ramponierten.
Schließlich hatte "Bound" alles, was ihre Filme ab "Matrix" vermissen ließen: Einen nachvollziehbaren, spannenden Plot, interessante Charaktere und realistische Dialoge, aus denen nicht "ich bin Küüüünstler!" heraustropfte wie giftige Galle aus dem Mund einer beliebigen "GrünInnen"-Politiker*_In. Man würde es den Wachowskis wünschen – und natürlich dem Publikum. Gerne darf auch Mila Kunis wieder dabei sein. Sie muss ja nicht unbedingt mitspielen – hübsch herrichten und als Hintergrunddeko in die Ecke stellen genügt völlig.
Fun fact: Manche Monologe in "Jupiter Ascending" sind länger als diese Rezension.


Nachtrag: Not the bees!

Eigentlich wollte ich nur diese kultige Szene aus "The Wicker Man" verlinken. Leider verlangt eine Blog-Partnerin von mir, ganze Artikel zu schreiben, anstatt hochgeistige Ergüsse wie: "LOL guckste ma" plus einen Youtube-Link anbringen zu können, wie es sich fürs SMS-Zeitalter gehört, wo ganze Sätze mit mehr als zehn Wörtern als ähnlich sperrig wie "Ulysses" angesehen werden.


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