„Monsieur Pierre geht online“: Komödie mit Alt-Star Pierre Richard

„Cyrano de Bergerac“ goes online: Verbitterter Witwer macht auf einer Singlebörse eine bildhübsche, junge Frau klar. Als die sich mit ihm treffen will, macht er auch noch einen Stellvertreter klar. Schließlich hat er in seinem Profil gelogen, dass sich die Balken biegen. Doch kann die Lüge aufrecht erhalten bleiben, wenn die Liebe dazwischenfunkt?

Gerardo Pinkel (wer die Anspielung versteht, darf sich selber auf die Schulter klopfen)

In den 1970er Jahren/frühen 80er Jahren zählte Pierre Richard neben Louis de Funes und dem Power-Duo Bud Spencer/Terence Hill zu den beliebtesten europäischen Komikern. Legendär sind insbesondere seine Kollaborationen mit Gérard Depardieu. Während sich Depardieu seit Jahren hauptsächlich als Winzer und sein eigener bester Kunde betätigt, und allenfalls mit öffentlichen Pinkelspielchen in Flugzeugen für Schlagzeilen sorgt, entschloss sich Richard im reifen Alter noch einmal zu einem kleinen cineastischen Comeback. Und hierbei sei das Wort „klein“ bewusst gewählt: „Monsieur Pierre geht online“ hat etwas von einer Gefälligkeitsarbeit an sich. Doch der Reihe nach.

Alter Mann, Alter Ego

Seit dem Tod seiner geliebten Frau hat Pierre (Pierre Richard) die Wohnung nicht mehr verlassen, lebt lethargisch in den Tag hinein und ernährt sich von Dosenfraß und Alkohol. Seine Tochter Sylvie kann das Elend nicht mehr mitansehen, kauft ihm einen Laptop und engagiert den Möchtegern-Schriftsteller Alex (Yaniss Lespert) als Computer-Lehrer. Dass ausgerechnet der beruflich erfolglose Alex der Freund von Pierres Enkeltochter Juliette ist, muss der alte Herr ja nicht erfahren. Nach Anlaufschwierigkeiten freunden sich Pierre und Alex an, bis der Witwer die wahnwitzige Idee hat, sich bei einer Internet-Dating-Plattform als junger Mann auszugeben. Kurzerhand verpasst er dem Profil einen Schnappschuss von Alex als Foto.

Tatsächlich gewinnt er das Interesse der hübschen Flora (Fanny Valette), die sich unbedingt mit dem wie sie glaubt jungen Feschak treffen möchte. Was tun? Ganz einfach, überlegt Pierre: Er engagiert Alex gewissermaßen als sein körperliches Alter Ego. Trotz Widerstands lässt sich Alex breitschlagen und nimmt mit seinem Schützling an Bord die lange Reise nach Brüssel auf sich. Das Rendezvous mit Flora sorgt allerdings weniger für Klarheit, als vielmehr für immer neue Verwicklungen. Denn entgegen seiner Versprechungen bricht Pierre nach der Rückkehr nach Paris keineswegs den Kontakt mit Flora ab. Im Gegenteil: Er gibt sich als Alex‘ Großvater aus und lädt die ahnungslose junge Frau zu sich ein …

Cyrano im digitalen Zeitalter

Eines vorneweg: Man sollte sich vom Trailer zu „Monsieur Pierre geht online“ nicht täuschen lassen, der eine locker-flockige Komödie zu versprechen scheint:

 Monsieur Pierre geht online (Trailer, deutsch)

Vielmehr wird das bekannte Motiv des Cyrano de Bergerac – auch bekannt als: Innere Werte sind wichtiger als das Aussehen. Aber gut aussehen muss der Typ trotzdem, damit ich ihn auch nur meine Pizza bezahlen lasse – gewissermaßen ins Online-Zeitalter transferiert. Sonderlich originell mutet die Prämisse natürlich nicht an: Protagonist gibt sich für jemand anders aus, um Aufmerksamkeit zu erregen. 

Der französische Originaltitel „Un profil pour deux“ – ein Profil für zwei (nicht zu verwechseln mit der deutschen Krimiserie „Ein Fall für zwei“ und deren Porno-spin-off „Ein Phallus für zwei“) – bringt die Thematik besser auf den Punkt als der generische deutsche Titel. Offenbar gilt ein ungeschriebenes Gesetz, wonach jeder zweite französische Film das Wort „Monsieur“ beinhalten muss, damit man ihn das Zielpublikum nicht für einen japanischen Godzilla-Film hält.

Ob man sich über das Wiedersehen mit Pierre Richard freut oder nicht, ist Ansichtssache: Einerseits ist es schön, die Idole der Jugend (falls man wie der Artikelautor dermaßen alt ist, dass man noch mit Steinzeitkultur wie Nena und Modern Talking aufwachsen musste) wieder zu sehen; andererseits, und dafür gibt es keine nette Umschreibung, ist das Idol kaum noch zu erkennen. Mühsam schleppt sich Richard durch die spärlichen Drehorte, was natürlich seinem Alter geschuldet ist. Fairerweise muss man hinzufügen, dass er immer noch vitaler als Alex-Darsteller Yaniss Lespert wirkt, der völlig blass und uncharismatisch wirkt. Und falls dieser persönliche Einschub gestattet ist: Handelt es sich bei ihm um „InfoWars“-Mitverschwörer Paul Joseph Watson? Die optische Ähnlichkeit ist jedenfalls verblüffend.

Floralverkehr

Doch halten wir uns nicht länger mit Äußerlichkeiten auf und gehen wir nicht darauf ein, dass 9-11 ganz klar ein Inside Blow Job war: Vermag „Monsieur Pierre geht online“ als Komödie zu überzeugen? Nach zähem Beginn, hauptsächlich auf Grund des entsetzlich blassen Alex, nimmt der Film erst mit der Einführung von Pierre Richard ein bisschen Fahrt auf. Die Rolle des trauernden Witwers verkörpert der einstige Star-Komiker erstaunlich überzeugend, auch wenn er aus seiner Depression viel zu schnell herauskommt. Binnen weniger Szenen avanciert er, der nach Eigenaussage nur noch möglichst rasch seiner verstorbenen Frau folgen möchte, zum voll im Leben stehenden Internet-Charmeur. Bizarrerweise wird der Mailverkehr zwischen Pierre und der seinen Worten verfallenden Flora – Safe word: floralverkehr - praktisch völlig ausgeblendet. Gerne erführe man, wie der ein zartes halbes Jahrhundert ältere Witwer die junge Frau bezirzt.

Weniger gerne erfährt man hingegen, wie sich Alex durch den Alltag schummelt. Wieso die Frauen offenbar reihenweise dieser Charisma-befreiten, unsympathischen Figur verfallen, erschließt sich weder durch seine Handlungen, noch durch seine Worte. Gut, an dieser Stelle ergibt das Cyrano-Motiv theoretisch zwar Sinn, aber: Alex ist angeblich Schriftsteller. Wer, wenn nicht ein Schriftsteller, sollte wortakrobatischer sein? Wobei die wahrlich entzückende Flora ohnehin nur als Staffage für ein stellenweise zynisches Handlungsgerüst herhalten muss, das die junge Frau wie ein beliebig nutzbares Objekt behandelt. 


Ein Film wie Dosen-Ravioli

Leider blitzen Anflüge von Humor nur sporadisch auf und werden nicht weiter vertieft. Ganz in „Charleys Tante“-Manier soll eine Verwechslungs-Szene für Lacher sorgen. Dass diese Verwechslung nicht auffliegt, ist an Ungereimtheit schwer zu überbieten. Überhaupt reihen sich Zufälle aneinander, um die Geschichte letztendlich zu einem – nun ja – befriedigenden Abschluss zu bringen, der lange vorher absehbar ist. Um das Sinnbild der Dosen-Ravioli aufzugreifen: Mit „Monsieur Pierre geht online“ erhält der Zuschauer altbekannte Kost, die lediglich aufgewärmt wird. Alles, restlos alles hat man schon oft gesehen, und entsprechend abgeschmackt wirkt das Ganze. Mit ein bisschen Mut hätte ein überraschender Schluss, der angedeutet wird, wenigstens ein bisschen Abwechslung gebracht. Leider steckt der Film von Beginn weg in bekannten Bahnen fest, in denen er entschlossen verharrt.

Fazit

Letztendlich entpuppt sich „Monsieur Pierre geht online“ als harmlose Cyrano-Abwandlung mit bekannten Motiven, großteils blassen Figuren und einer mutlosen Story. Positive Hervorhebung verdienen die Paris-Bilder und Pierre Richard, der eine passable Darstellung bietet. Und damit möge der gute Pierre sich wieder in den Ruhestand begeben und den Lebensabend genießen. Verdient hätte es sich der mittlerweile in Würde ergraute „Große Blonde“. 


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