Jack Reacher: Kein Weg zurück

Vorneweg ein Geständnis des rezensierenden Nörgeltanterichs vom Dienst: Er ist seit Jahren Riesenfan von Tom Cruise und verzeiht ihm selbst albernes Couch-Jumping oder die Mitgliedschaft in einer bescheuerten Sekte, deren Name ihm gerade entfallen ist (Scientology? SPD?). Ihn interessieren auch angebliche private Eskapaden des mit „Top Gun“ zum Superstar aufgestiegenen ehemaligen Franziskaner-Novizen (kein Scherz) nicht die Bohne. Dafür bewundert er das Gespür von Tom Cruise für richtig gute Filme, allen voran die „Mission: Impossible“-Serie, die mit jedem Teil besser wird, oder Science-Fiction-Kracher wie „Oblivion“ oder „Edge of Tomorrow“. Doch wo viel Licht, da auch Schatten, oder in diesem Fall: „Jack Reacher: Kein Weg zurück“. Nach dem grandiosen ersten Teil aus 2012, der weltweit immerhin gut 200 Millionen Dollar und damit ein Mehrfaches des Budgets einspielte, konnte eine Fortsetzung nicht ausbleiben. Leider.

Ich bin ein Major – holt mich hier raus!

Nachdem Jack Reacher mit Hilfe von Major Susan Turner, mit der er bislang ausschließlich telefonischen Kontakt hatte, einem fiesen Texas-Sheriff das Handwerk gelegt hat, möchte er diese endlich persönlich kennenlernen. Verständlich, entpuppt sich diese doch nach Hollywoodlogik nicht als frustrierte, adipöse Vierfachmutter mit Alkoholproblemen, sondern als das kanadische Model Cobie Smulders, bei der garantiert keine Verwechslungsgefahr mit AbgeordnetInnen der deutschen Grünen besteht. Das geplante Abendessen fällt voraussichtlich die nächsten paar hundert Jahre flach, denn der Guten wird Landesverrat vorgeworfen. Was in der deutschen Politik als Selbstverständlichkeit angesehen wird, gilt in den USA – harr! Diese bösen Yankees! – irgendwie doch als anrüchig und strafbar, weshalb Susan im Militärgefängnis einsitzt. Obwohl er Susan nicht persönlich kennt, glaubt er an ihre Unschuld und vermutet hinter den Vorwürfen ein Komplott. Jack will seiner Telefon-Bekanntschaft helfen, erfährt im Zuge dessen jedoch, dass er angeblich eine bislang unbekannte Tochter habe, die 15-jährige Samantha (Danika Yarosh). Offenbar bewahrheiten sich Jacks Vermutungen, denn plötzlich trachtet man auch ihm und sogar seiner vermeintlichen Tochter nach dem Leben …


Doppelt so viel Budget, halb so spannende Handlung: „Jack Reacher: Kein Weg zurück“

Zugegeben: Der erste „Jack Reacher“-Streifen definierte das Genre nicht neu, bot keinen verblüffenden Plot Twist und glänzte auch nicht mit nie gesehenen Aktionszenen. Aber die flott inszenierte Geschichte bot dem bestens aufgelegten Tom Cruise Raum zur Beweisführung, dass er noch lange kein Fall für die Verschrottungsprämie ist, sowie die Gelegenheit für köstliche Dialoge („Hi! I'm Sandy!“ – „So was I. Last week. On a beach, in Florida.“). Werner Herzog (!) als Antagonist vervollständigte das gewiss nicht revolutionäre, aber äußerst unterhaltsame erste Leinwandabenteuer des freischaffenden Kopfnussverteilers Jack Reacher. Regisseur Christopher McQuarrie wurde daraufhin mit dem Action-Kracher „Mission: Impossible - Rogue Nation“ – gleichfalls mit Tom Cruise in der Hauptrolle – betraut.

Für das unvermeidbare Sequel griff man hingegen auf die Dienste von Edward Zwick zurück, der mit „The Last Samurai“ bereits Cruise-Erfahrung gesammelt hat. Das Budget für „Jack Reacher: Kein Weg zurück“ soll bei rund 100 Millionen Dollar und somit fast dem Doppelten des ersten Teils gelegen haben. Wer sich nun von der Kombination Mega-Budget, Tom Cruise und Oscar-Preisträger(„Shakespeare in Love“) Edward Zwick einen würdigen Nachfolger erhofft, wird enttäuscht. Nun ist es keineswegs so, dass das auch an den Kinokassen enttäuschende Sequel eine cineastische Bauchlandung wäre. Doch kürzte man das Zweistunden-Spektakel um eine halbe Stunde und verpasste ihm ein „made for TV“-Schleifchen, man würde keine Sekunde daran zweifeln.

Die Misere beginnt bei der Story. Im ersten Teil wurde der Zuschauer mit einer mysteriösen, völlig sinnlos scheinenden Mordserie konfrontiert, die selbst für Jack Reacher eine harte Nuss darstellte und einige unerwartete Wendungen erfuhr. Im Laufe der teils atemlosen Handlung musste sich Reacher von allen Seiten seiner Haut erwehren und war als Ein-Mann-Armee unterwegs. Dermaßen dicht war der Plot, dass keine Sekunde Zeit für jene Leerläufe blieb, die in der Fortsetzung leider das Tempo bestimmen. Auch wenn Cobie Smulders nicht das obligatorische love interest mit eingeschränkter Verteidigungsfähigkeit ist, bremsen die ziemlich belanglosen Szenen mit Tom Cruise den Film immer wieder aus.




Komplott bescheuert!

Der Grund liegt nicht nur in den uninspirierten Dialogen, die sich nicht ansatzweise mit den geschliffenen, ironischen Wort-Duellen aus Teil 1 messen können, sondern hauptsächlich an der völlig fehlenden Chemie zwischen Cruise und Smulders. Über die Gründe hierfür vermag der Rezensent natürlich nur zu spekulieren. Doch „Jack Reacher: Kein Weg zurück“ hinterließ bei ihm den Nachgeschmack eines Filmes, den der Hauptdarsteller lediglich routiniert hinter sich bringt und keinerlei Esprit in den Streifen einbringt. Angesichts des vorhersehbaren, biederen Plots verwundert dies wenig. Tatsächlich bietet die Handlung nur eine einzige Wendung zwischenmenschlicher Natur. Das Komplott selbst ist lachhaft einfach gestrickt und folgt breit ausgelatschten Pfaden. Mehr noch: Was wirklich hinter dem Komplott steckt, ahnt der Zuschauer sogar weitaus früher als der vermeintlich superintelligente Jack Reacher, was angesichts der offensichtlichen Fährten noch eine ganze Klasse uninspirierter wirkt.

Als kleine positive Überraschung – man sollte sich ja über die kleinen Dinge freuen – kann man Danika Yarosh als vermeintliche Jack-Reacher-Tochter Samantha verbuchen. Auch wenn sie die erwartet hirnrissen Teenager-Trotteleien samt Zickereien an den Tag legt, nervt sie nicht in jenem Ausmaß, wie man es befürchten musste. Völlig unscheinbar bleibt hingegen der obligatorische Bösewicht, der in einem James-Bond-Film höchsten den Handlanger des eigentlichen Antagonisten geben dürfte. Ein blasser Totschlägertyp von der Stange – und das nach Werner Herzogs grandioser Performance samt grimmiger Hintergrundgeschichte im ersten Teil. Das ist ungefähr so, als würde man den von Anthony Hopkins verkörperten Hannibal Lecter durch einen französischen Schönling ersetzen. Wie in Hannibal Rising geschehen. Der Rezensent entschuldigt sich hiermit für die missglückte Analogie und fährt mit seiner Oralogie fort.

Mission Jack Reacher: Impossible

Rätselhafter als die Enthüllung des B-Movie-Komplotts ist hingegen die Frage, wohin das 100-Millionen-Budget geflossen sein soll. Nichts, einfach rein gar nichts an „Jack Reacher: Kein Weg zurück“ erzielt die Wucht der obligatorischen Autoverfolgungsjagd, geschweige denn des Showdowns aus „Jack Reacher“. Völlig uninspiriert mäandert die Handlung über den Bildschirm und wirkt so lustlos wie der Hauptdarsteller selbst. Als Fazit könnte man ziehen: „Jack Reacher: Kein Weg zurück“ ist einer jener Filme, bei denen man nicht auf „Pause“ drücken muss, wenn einen die Blase drückt. Man versäumt weder entscheidende Plotwendungen, noch interessante Dialoge oder sehenswerte Actioneinlagen. Ob noch ein Weg zurück zu einem dritten Teil führt, ist angesichts des ernüchternden Einspielergebnisses fraglich. Und sollte jemand – aber warum sollte man das tun? – den Rezensenten fragen, so lautete dessen Antwort: Tom, bitte dreh alle zwei Jahre einen neuen „Mission: Impossible“-Teil und lass derlei belanglose Action-Flacher wie „Jack Reacher: Kein Weg zurück“ Emporkömmlingen ohne Charisma über. Wer jetzt spontan an Sam Worthington dachte, darf zur Belohnung eine weitere Rezension völlig kostenlos lesen. 



Keine Kommentare:

Kommentar veröffentlichen